Gemäß Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG kann jedermann mit der Behauptung, durch die öffentliche Gewalt in einem seinem Grundrechte oder in einem grundrechtsgleichen Recht (Art. 20 Abs. 4, Art. 33, Art. 38, Art. 101, Art. 103, Art. 104 GG) verletzt zu sein, Verfassungsbeschwerde erheben.
Die Verfassungsbeschwerde ist die mit weitem Abstand am häufigsten angestrengte Verfahrensart vor dem Bundesverfassungsgericht. Ihre Erfolgsquote ist – rein statistisch gesehen – vergleichsweise gering. Das ist aber prinzipiell kein Grund zur Resignation und erst recht kein Grund, sich von der Einlegung einer Verfassungsbeschwerde abhalten zu lassen. Denn ganz entscheidend ist, wie der wichtige Schritt vor das Bundesverfassungsgericht vorbereitet und angegangen wird. Hierzu sollte man zunächst allgemein wissen:
Verfassungsbeschwerden werden am häufigsten gegen Gerichtsentscheidungen eingelegt.
Die Verfassungsbeschwerde ist ein außerordentlicher Rechtsbehelf, d.h. ein Rechtsbehelf außerhalb der Fachgerichtsbarkeit (Zivil-, Straf-, Arbeits-, Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit).
Das Bundesverfassungsgericht ist daher keine „Superrevisionsinstanz“.
Im Rahmen einer Verfassungsbeschwerde gegen Gerichtsentscheidungen prüft das Bundesverfassungsgericht also nicht, ob die Fachgerichte das einfache Gesetzesrecht (unterhalb des Verfassungsrechts) richtig angewendet haben. Das ist Aufgabe der Fachgerichte.
Das Bundesverfassungsgericht prüft vielmehr allein, ob Gerichtsentscheidungen „spezifisches Verfassungsrecht“ verletzen. Das bedeutet im Einzelnen:
- Ist/sind die Rechtsnorm(en), die die fachgerichtliche Entscheidung trägt/tragen, (formell und materiell) verfassungsgemäß?
- Hat das Fachgericht bei der Anwendung dieser Rechtsnorm(en) die Bedeutung der Grundrechte grundlegend verkannt? Hat das Fachgericht nicht erkannt, dass Grundrechte oder grundrechtsgleiche Rechte (ohne Justizgrundrechte) einschlägig sind? Hat das Gericht die Bedeutung einschlägiger Grundrechte oder grundrechtsgleicher Rechte grundsätzlich verkannt, indem es z.B. ihren Schutzbereich unzutreffend bestimmt hat?
- Handelt es sich um eine objektiv willkürliche Entscheidung des Fachgerichts?
- Beruht die fachgerichtliche Entscheidung auf einem Verstoß gegen Justizgrundrechte (Art. 19 Abs. 4 GG, 101, 103 GG)?
(vgl. Schroeder, Grundrechte, 4. Auflage 2016, Rn. 767)
Selbst wenn sich also die Verfahrensgestaltung, die Sachverhaltsfeststellung oder -würdigung, die Gesetzesauslegung oder -anwendung durch die Fachgerichtsbarkeit im konkreten Fall als fehlerhaft erweisen sollte, bedeutet das – isoliert betrachtet – nicht per se, dass auch eine Grundrechtsverletzung vorliegt. Eine im Verfassungsbeschwerdeverfahren relevante Grundrechtsverletzung liegt vielmehr nur und erst dann vor, wenn eine der obigen Fragen bejaht werden kann.
Die Prüfung der Frage, ob eine Verletzung spezifischen Verfassungsrechts vorliegt, ist in der Regel rechtlich komplex. Bevor eine Verfassungsbeschwerde eingelegt wird, empfiehlt es sich daher schon allein aus diesem Grunde, rechtzeitig zunächst die Erfolgsaussichten der beabsichtigten Verfassungsbeschwerde zu prüfen.
Im Zuge dieser Prüfung muss außerdem untersucht werden, ob bzw. inwieweit auch die Zulässigkeitsvoraussetzungen der beabsichtigten Verfassungsbeschwerde erfüllt bzw. erfüllbar sind. Denn das Bundesverfassungsgericht befasst sich mit der Frage der Verletzung spezifischen Verfassungsrechts nur und erst dann, wenn und soweit die Verfassungsbeschwerde überhaupt zulässig ist.
Die Hürde der Zulässigkeit einer Verfassungsbeschwerde ist nicht unüberwindbar, sollte aber keinesfalls unterschätzt werden. Das gilt insbesondere im Hinblick auf die Rechtswegerschöpfung und die Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde.
Verfassungsbeschwerden können von jedermann eingelegt werden. Anwaltszwang besteht nicht. Der beschwerdeführenden Person steht es demnach frei, sich rechtlich vertreten zu lassen. In einer mündlichen Verhandlung muss sie sich allerdings vertreten lassen.
Aufgrund der rechtlichen Komplexität der Materie empfiehlt es sich, die rechtliche Prüfung der Erfolgsaussichten der beabsichtigten Verfassungsbeschwerde und die ggf. anschließende Durchführung des Verfassungsbeschwerdeverfahrens einer/einem hierauf spezialisierten Rechtsanwältin/Rechtsanwalt anzuvertrauen.
Die Konsultation eines anwaltlichen Rechtsbeistandes sollte möglichst frühzeitig erfolgen, weil die Einlegung der Verfassungsbeschwerde fristgebunden ist. Die Frist zur Einlegung und Begründung der Verfassungsbeschwerde gegen Gerichtsentscheidungen beträgt einen Monat (vgl. Einzelheiten in § 93 BVerfGG).
Bei Bedarf steht Ihnen Frau Dr. Schroeder als auf das Verfassungsrecht spezialisierte Rechtsanwältin gerne als Ansprechpartnerin zur Verfügung.
Hinweis: Bei diesem Text handelt es sich um allgemeine Informationen ohne Gewähr der Vollständigkeit und Richtigkeit. Insbesondere handelt es sich hierbei nicht um Rechtsberatung. Die allgemeinen Informationen können eine Rechtsberatung im Einzelfall nicht ersetzen.